Im Interview mit dem Regisseur
Blackbird ist eines von vielen zeitgenössischen Stücken, welches vollkommen realistisch ist. Da ich mit dem realistischen amerikanischen Drama aufwuchs, wird es für mich immer inspirierend sein: komplizierte psychologische Porträts von Charakteren, ein großartiger Dialog.
Wir haben eine realistische Situation und Helden aus Fleisch und Blut. Bei der Realisierung von Blackbird mag ich den psychologischen Realismus dieses Dramas, seine Problematik und das Tabuthema. Zur Erinnerung: Der Held dieses Stückes ist ein Mann in den Vierzigern, der sich in eine sexuelle Beziehung mit einer 12jährigen verstrickt. Das ist keine selbstverständliche Situation. Die sexuelle Verführung eines Kindes durch einen erwachsenen Mann, das ist genau das Gegenteil von selbstverständlich. Ob er sie wohl benutzt, oder vielleicht sie ihn? Aber vielleicht ist es einfach Liebe? Oder ist sie nur eine Kind, das schlicht und einfach manipuliert wurde? Im Drama finden wir keine Antworten auf diese Fragen. Im Gegenteil: es tauchen noch viele andere auf....
Unsere Helden hatten im Leben keine Chance herauszufinden, ob das, was sie erlebt haben, wirklich war, oder ob es eine besondere Manipulation war. Sie haben diese Chance nicht, da die Gesellschaft schon ihr Urteil abgegeben hat und sie von Anfang bis Ende bestrafte, entsprechend dem Maß ihrer Schuld.
Er ging ins Gefängnis, sie in Therapie und sie wurde auch aus ihrer Umgebung ausgeschlossen. Also, über 15 Jahre sind vergangen, als es wieder zu einem Treffen kommt. Inzwischen sind die Zwei von der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen. Das hat mich interessiert, weil mir scheint, dass die Gesellschft immer sehr schnell eine Antwort für jede Situation hat, die sie nicht akzeptieren will oder kann. Der große japanische Nobelpreisträger Kawabata sagte einst, dass „alles, was nicht menschlich ist, durch die Macht der Gewohnheit menschlich werden kann.” Und Blackbird ist eine Geschichte über Menschen, die „menschlich” behandelt werden – verdient oder nicht. Sie haben sich daran gewöhnt, in einer Gesellschaft zu leben, die alles, was sie nicht versteht oder nicht akzeptiert, unmenschlich findet, stigmatisiert und ausschließt.