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Spielzeit 2019/­20

MUSIKTHEATER

»Die Fledermaus« - Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung

Oh Fledermaus, oh Fledermaus…
Görlitz beginnt seine Musiktheater-Spielzeit mit Schwung und guter Laune.

(...) Regisseur Steffen Piontek, Ausstatter Mike Hahne und Choreograf Winfried Schneider sind hochprofessionell, routiniert und eingespielt. (...)

(...) Yvonne Reich spielt die Schauspielerin, die ins Orlofsky-Kostüm schlüpft, mit großer Lust, (Selbst)Ironie und kraftvoller Stimme. (...)

(...) Mit Ulrich Kern am Pult wird der Abend zu einem schwungvollen Ereignis. (...)

(...) Auch Chor und Solisten sind in Bestform. (...)

(...) Michael Heim gibt den Eisenstein mit sicherer Routine, schönem Tenor und aufmerksamem Blick für seine Spielpartner. Patricia Bänsch ist eine attraktive Rosalinde mit stimmlicher Furore. Quirliges Zentrum, blitzsauber in den Koloraturen, kokett, aber selten aufgesetzt, grundsätzlich sympathisch ist Jenifer Lary als Adele. Dezent edel hält sich Ji-Su Park als Dr. Falke im Hintergrund. Schwer zu entscheiden ist, wer mehr Lacher auf seiner Seite hat, Michael Berner als Advokat Blind oder Hans-Peter Struppe als Gerichtsdiener Frosch. Beide geben ihrem Affen Zucker, ohne dass ihnen die Regie ausufernde Banalität durchgehen ließe. Der Applaus war lang anhaltend und begeistert. Das Publikum war rundum gut unterhalten, das steht fest. (...)‎

Jens Daniel Schubert, Sächsische Zeitung, 07.10.2019
Foto: Artjom Belan

»Dinorah« - Joachim Lange - Deutsche Bühne

Ein Traum, was sonst?

(…) Die Musik ist hinreißend verführerisch in ihrem Wechsel von einschmeichelnd aufflatternder Melodie, atmosphärischer Stimmungsmalerei und einer Ziegenglocke als eines der Leitmotive, das immer wieder erklingt. Alles mit der gehörigen Portion von Raffinesse, die dieser Komponist allemal liefert. Die Musiker der Neuen Lausitzer Philharmonie und ihre GMD Ewa Strusińska liefern mit ihren Mitteln einen Meyerbeer de luxe!

In »Dinorah« kommt es darauf an, dass sich die Protagonisten und der Chor (so wie von Albert Seidl einstudiert) auf dieses Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit einlassen. Vor allem braucht es eine vollkommen koloraturensichere Ziegenfreundin für die Titelpartie. Und da begeistert Ensemblemitglied Jenifer Lary (die 2020 nach Heidelberg wechseln wird) durchgehend – mit spielerisch leichten, lockeren Koloraturen und der entsprechenden Intensität in der Darstellung. Auch bei ihr wird die berühmte Schattenarie zu einem Bravourstück, das mit ausführlichem Szenenapplaus bedacht wurde! Sie feuert keins ihrer Kehlenkunststücke einfach nur von der Rampe ab, sondern fügt sie in die jeweilige Situation der Inszenierung von Geertje Boeden und den Raum, den das Ausstatterteam Olga von Wahl und Carl-Christian Andresen zwischen Traum und Wirklichkeit angesiedelt haben, ein. Atmosphärische Ergänzung sind die Videos von Aron Kitzig und die Schattenspieler Nami Miwa (als Bella), Harrison Claxton (als Schatten Hoëls ist er der Zauberer Tonyk) und Lorenzo Rispolano (als Schatten Corentins passenderweise als Kobold). Eindrucksvoll die erstarrte Schlammlawine, die die Bühne beherrscht und in der technische Versatzstücke aus modernen Haushalten einen dezenten Verweis von den historisch märchenhaften Kostümen hin zu unserer Gegenwart liefern. (…) ‎

Joachim Lange, Deutsche Bühne, 17.11.2019
Foto: Marlies Kross

»Dinorah« - Jan Krobot/Zürich - Online Merker

Die Oper mit der Ziege

(…) Regisseurin Geertje Boeden erforscht in ihrer Inszenierung die Gründe des Wahnsinns der Dinorah und die Wirkung der Urkatastrophe dieses Stücks, des Unwetters, das da in der Vorgeschichte stattfindend nicht gezeigt wird und die Meierei von Dinorahs Eltern total zerstört, auf die Protagonisten. Das Ausstattungsteam Olga von Wahl und Carl-Christian Andresen hat ihr dazu eine »moderne« Ruine auf die Bühne gebracht (…)

(…) In Kombination mit stimmigen Naturaufnahmen und gezeichneten Bildern (Video: Aaron Kitzig) gelingt es Boeden die Geschichte schlüssig und werkgetreu zu erzählen (…)

(…) Die Solisten des Abends konnten einen persönlichen Triumph feiern. Jenifer Lary sang mit kristallklarem und absolut höhensicherem Sopran eine perfekte Dinorah. Mit hervorragender Technik und intensiver, aber nie aufdringlicher Bühnenpräsenz war sie mit ihrer schlicht sensationellen Leistung zu Recht der Mittelpunkt des Abends. Ji-Su Park sang den Hoël stilsicher mit prächtigem Bariton. Er war seiner Dinorah ein ebenbürtiger Partner. Thembi Nkosi war mit seinem hellen Tenor ein wunderbarer Correntin und hatte so gar nichts von einem Dorftrottel. Eindrücklich verkörperten Nami Miwa, Harrison Claxton und Lorenzo Rispolano die Schatten von Dinorah (Bella), Hoël (Tonyk) und Correntin (Kobold). Hervorragend fügte sich klangstark der von Albert Seidl vorbereitete Opernchor ins Geschehen ein.

Eine hervorragende Leistung bot auch die Neue Lausitzer Philharmonie unter der Leitung der Generalmusikdirektorin Ewa Strusińska. Hier wurde französische Oper mit der gebotenen Leichtigkeit gespielt und die liedartigen Stücke trotz der Rezitativ-Fassung wunderbar herausgearbeitet. In den marschartigen Stücken wurde dann aber auch entsprechend aufgedreht. Absolute Empfehlung: eine Rarität des Spielplans szenisch wie musikalisch mustergültig umgesetzt! (…) ‎

Jan Krobot/­Zürich, Online-Merker, Die internationale Kulturplattform, 16.11.2019
Foto: Marlies Kross

»Dinorah« - Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung

Bezaubernder Wahnsinn

Eine Kostbarkeit ist in Görlitz mit Meyerbeers Oper »Dinorah« zu erleben – als Fest für die Sänger.

(…) Der Besuch zeigt, dass sich die Entdeckung lohnt, insbesondere, wenn man für die nur drei Gesangspartien so hervorragende Solisten hat wie Görlitz. (…)

(…) Die Musik von »Dinorah« schöpft den ganzen Reichtum spätromantischer Oper aus: beeindruckende Arien, spannungsreiche Ensembles, große Chöre, stimmungsvolle Zwischenspiele. Die Neue Lausitzer Philharmonie kann das, auch wenn sie am Sonntag unter Leitung von Ewa Strusinska eine ganze Weile gebraucht hat, ihr gewohntes Niveau zu erreichen. (…)

(…) Der Görlitzer Opernchor überzeugt, insbesondere an den Stellen kraftvoller Präsenz, mit eindrucksvollem Klang. Höhepunkt aber waren die Solisten. Jenifer Lary gibt die Titelfigur im Spannungsfeld zwischen zarter Verletzlichkeit und kraftvollem Aufbegehren im genretypischen Ausdruck der Wahnsinnigen, die in den höchsten Tönen das Nichtsagbare singt. (…)‎

Jens Daniel Schubert, Sächsische Zeitung, 26.11.2019

»Dinorah« - Heiko Schon - Kultura-Extra, das online-magazin

Spielʻs noch einmal, Giacomo

(…) Ewa Strusińska hat die Rarität zur Sache einer Musikchefin erklärt, die sie seit 2018 ist, und kann mit ihrem Dirigat nichts Geringeres als einen Sensationserfolg verbuchen. Unter dem energischen Zugriff ihrer Generalmusikdirektorin zaubert die Neue Lausitzer Philharmonie einen wohlklingend warmen, dynamisch-saftigen Sound hervor. (…)

(…) Gleiches gilt für die Partien: Was Meyerbeer den Solisten hier in die Kehlen geschrieben hat, ist atemberaubend - und verdammt schwer zu singen. Die stimmlichen Anforderungen sind durchaus mit denen des italienischen Belcanto vergleichbar, was am deutlichsten bei der Titelheldin herauszuhören ist. Die Sängerin der Dinorah muss große Bögen spinnen, Koloraturkaskaden abfeuern und halsbrecherisch hohe Spitzentöne platzieren. Es grenzt fast an ein Wunder, dass diese Rolle aus dem hauseigenen Ensemble besetzt werden konnte. Jenifer Lary gehört diesem seit 2017 an, aber selten dürfte sie so gut gewesen sein, so eins mit sich und ihrem jugendlich frischen, makellos intonierenden Sopran wie an diesem Nachmittag, als Dinorah. Alle im Saal haben das begriffen - und jubeln, klatschen, trampeln gar. (…)

(…) Ji-Su Park als Hoël und Thembi Nkosi als Corentin, beide absolut souverän, sowie der Opernchor vervollkommnen eine bestens präparierte Besetzung. (…)‎

Heiko Schon, Kultura-Extra-das online-magazin, 26.11.2019
Foto: Marlies Kross

»Dinorah« - Operalounge.de - Ralf Fath

Auch Görlitz entdeckt Meyerbeers »Dinorah«
Die mit den Ziegen singt

(…) Nie vergessen wurde die große Schattenarie der Dinorah, »Ombre légère«, die es auch der polnischen Generalmusikdirektorin des Hauses, Ewa Strusińska, angetan haben muss, denn selten hört man diese Mazurka so zupackend und tänzerisch mitreißend wie hier mit der Neuen Lausitzer Philharmonie. Überhaupt gelangt es Strusińska eine Interpretation, die, hat man sich erst einmal an den schlank direkten Klang des Orchesters gewöhnt, an interpretatorischer Dichte und instrumentaler Spannung kaum Wünsche offen ließ. Die Wienerin Jenifer Lary sang die Titelrolle mit ansprechendem Vibrato und einem wendigen, in den Höhen unerschrockenen, in der oberen Mittellage süßen und reizvollen Koloratursopran, der für die Rezitative über Körper und resche Mittellage verfügt. Für ihren Hoël hatte der sehr textdeutlich singende Südkoreaner Ji-Su Park einen etwas halsigen, unter Druck erzeugten und deshalb im Piano farblosen, nicht sehr gleichmäßigen Bariton, dessen dramatische Gesangslinie in der wirkungsvollen Arie im dritten Akt (im Original »Ah! Mon remords«) am besten zur Geltung kam, und der Südafrikaner Thembi Nkosi ließ in den Ariettes und Couplets des Corentin die feine Körnigkeit und leichte Höhe eines typischen Tenors der opéra comique hören. Die Ziegen, Zauberer, Kobolde und Naturwesen entschlüsselt Geertje Boeden in ihrer Inszenierung als Schatten, man könnte auch sagen Traumata, der drei Figuren – von den Tänzern Nami Miwa, Harrison Claxton und Lorenzo Rispolano hinter dem durchscheinenden Schleier der Rückwand dargestellt – wodurch das Stück, das Aaron Kitzig mit seinen geschickten Videos in einer romantischen Atmosphäre belässt, wenn schon keine rationale, so doch eine fassbare, traumdeutende Dimension enthält. Durch die erwähnten Kürzungen hatte die Aufführung, auf die man in Görlitz stolz sein darf, eine bekömmliche Dauer von gut 2 ½ Stunden. (…) ‎

Rolf Fath, Operalounge.de, 29.11.2019
Foto: Marlies Kross

»Tosca« - Jens Daniel Schubert - Sächsische Zeitung

Es lebe die Schönheit
Mit Puccinis »Tosca« hat das Theater Görlitz einen wirksamen Publikumsmagneten.


(…) Ewa Strusińska ist am Pult dieser Oper in ihrem Element. Sie geht förmlich auf in der Musik und reißt Sänger und Orchester mit. (…)

(…) Auch Patricia Bänsch gestaltet überzeugend die Titelpartie mit ihren Möglichkeiten. Die große Diva mit eitler Eifersucht steht ihr, die rächende Furie nicht minder. (…)

(…) Mit den feinen Zwischentönen, der Prise Selbstironie, dem Hauch Liebenswürdigkeit, der ungeschminkten Betroffenheit, die Tosca berührend machen, ist die Inszenierung sparsam. Das merkt man auch bei Cavaradossi, den Konstantinos Klironomos mit Stahlkraft und entwaffnendem Glanz singt. Das ist ganz große Oper. Geradlinig und unbekümmert, als Geschlagener Mitleid erregend, gefühlvoll am Grunde des Lebens. So erwartet man sich Cavaradossi. (…)

(…) Ji-Su Park gibt den Bösen, der der heilen Kunstwelt die Unschuld raubt. Nur mühsam politisch bemäntelt, treiben ihn ganz private Motive, sich an der Schönheit zu vergehen. Scarpia ist hier edel, fast zurückhaltend. (…)

(…) François des Carpendries hat mit seiner Ausstatterin Karine Van Hercke in Görlitz schon mit »Tannhäuser« und »Manon« große Oper in geschmackvollen Bildern inszeniert und macht auch hier alles richtig. Er bleibt nah am Stück, erfasst die Situationen in klaren Arrangements, spielt die Szenen der Partitur getreu. (…)‎

Jens Daniel Schubert, Sächsische Zeitung, 24.02.2020
Foto: Marlies Kross

»Tosca« - Christian Schmidt - concerti

Beglückende Ambitionen
Puccinis Verismo-Schocker bleibt zwar szenisch blass, das Mehrspartenhaus an der polnischen Grenze stellt gleichwohl seine enorme Leistungsfähigkeit unter Beweis.


Das Publikum geht begeistert mit
(…) Im vollen Bewusstsein, sich vielleicht zu verheben, riskiert das Gerhart-Hauptmann-Haus trotzdem großes Musiktheater, und es wird vom stehend applaudierenden Publikum dafür geliebt. Was könnte beglückender sein? (…)

Ein Tosca-Sängerin aus dem Hausensemble: Patricia Bänsch beeindruckt tief
(…) Allen voran beeindruckt Patricia Bänsch als Floria Tosca, die ihrer Titelpartie eine sichtbare Entwicklung von der eifersüchtigen, aber unpolitischen Diva zur Despotenmörderin gönnt, die über sich selbst erschrocken ist und für ihre Liebe lieber stirbt, als ihr moralisch gleichwohl vertretbares Verbrechen zu sühnen. (…)

(…) Die Partie darf mit Recht als eine der schwersten gelten, eben weil sie so viel Wandlungsfähigkeit erfordert. (…)

(…) Bänsch kann ihre Stimme wunderbar innig, fast schon liebkosend färben, mit herrischer Größe härten und Eiseskälte gleichermaßen ausstatten. (…)

(…) Gastsänger Konstantinos Klironomos steht dieser Force mit seinem Cavaradossi kaum nach (…)

(…) Stimmlich tadellos schlägt sich Ji-Su Park als Scarpia, dem allerdings der letzte Biss des gerissenen Intriganten und grausamen Despoten fehlt. (…)

Ist Machtmissbrauch nicht hoch aktuell? Regisseur François des Carpentries fällt dazu wenig ein
(…) Diese darstellerische Blässe ist aber nicht den Solisten anzulasten, sondern vor allem dem Regisseur François des Carpentries, dem zu diesem hochaktuellen Stück rein gar nichts einfällt. Immerhin verhandelt es neben der Kraft der Liebe nicht nur Machtmissbrauch und politische Gräueltaten, sondern auch den ewigen Konflikt zwischen liberalem Denken und Tyrannei oder auch die hochkomplizierten Rolle kirchlicher Moral in der Gesellschaft. In der üppigen Ausstattung von Karine van Hercke erlebt die Görlitzer Bühne aber Stehtheater – fast buchstabengetreu nach den Regieanweisungen der 120 Jahre alten Partitur. (…) ‎

Christian Schmidt, concerti, 22.02.2020
Foto: Marlies Kross

SCHAUSPIEL

»Mord auf Schloss Haversham« - Marcel Pochanke - Sächsische Zeitung

Ein Krimi? »Mord auf Schloss Haversham« in Zittau lässt die
Aufführung grandios scheitern.

(…) »Mord auf Schloss Haversham« soll es werden, gut soll es werden, und es dauert etwas, bis alle Zuschauer die Erwartung eines Kriminalstücks hinter sich lassen und sich freuen können darüber, wie grandios hier ein Versuch scheitert, einen Krimi zu inszenieren. Ja, grandios. (…)

(…) Was der Zuschauer sieht: Das herrliche Ringen um Würde und Ernsthaftigkeit der Darsteller, während ihnen alles um die Ohren fliegt. »Grundgütiger«, säuselt Tilo Werner als Robert als Thomas Collymore – eine herausragende Besetzung. (…)

(…) Die Bühnenhilfskraft (Martha Pohla) springt ein, als Sandra (Kerstin Slawek) ausfällt, liest den Text erst lustlos wie ein Schulmädchen und steigert sich im Finale – bis zu einer Schlacht zweier Frauen um die Rolle. (…)

(…) Was für eine Spielmöglichkeit für das Ensemble – die es so beherzt ergreift, dass es manchen wegschießt vor Lachen. Verständlich. Diese Geschichte vom Schiefgehen der Dinge ist eine unbedingte Empfehlung. (…)‎

Marcel Pochanke, Sächsische Zeitung, 21.10.2019

»Pinocchio« - Ines Eifler - Sächsische Zeitung

Pinocchio verzaubert Große und Kleine
Im neuen Weihnachtsstück schafft das Zittauer Theater große Illusionen. Darauf können sich auch die Görlitzer freuen.

(…) Wunderbare, leuchtende, raumgreifende Bühnenbilder haben Ulrike Bode, Mario Wenzel und Regisseur Stephan Bestier geschaffen (…)

(…) Immer wieder bezaubern die Kulissen (…)

(…) Zunächst ist es Pinocchio selbst, den Fabian Quast auf wirklich anrührende Weise spielt, mit anfänglich hölzernen Bewegungen, mit großer Begeisterung für alles, was Ruhm und Abenteuer verspricht, mit kindlichem Eigensinn und doch wachsendem Gefühl für die anderen. Nur zwei weitere Darsteller spielen alle anderen Rollen. Frank Siebers (…) ist der arme Tischler Gepetto und der ungnädige zweitklassige Zirkusdirektor (…) Ebenso überzeugend spielt er die transvestitisch-originell von Esther Kemter mit mehreren Röcken und Pelzchen kostümierte Katze, die mit der Füchsin als Gaunerpaar umherzieht (…)
(…) Katinka Maché, die auch schon fest in Zittau engagiert war und sich wieder als sehr wandlungsfähig und vielseitig erweist, spielt ebenfalls mehrere Rollen von der Blauen Fee über die Füchsin und den Artisten Lucino bis zum Jungen Giovanni. (…)

(…) Denn der wächst, ohne es selbst zu merken, über seinen Holzkörper hinaus. Die Entwicklung dahin zeichnet das Zittauer Team um Regisseur Stephan Bestier und Dramaturgin Patricia Hachtel eindrucksvoll nach. (…)

(…) Für die Kinder haben die Zittauer eine Menge lustiger Details eingebaut. (…)

Ines Eifler, Sächsische Zeitung, 18.11.2019
Foto: Pawel Sosnowski

»Die Anarchistin« - Ines Eifler - SZ.de

Durch Zufall brisant

In Zittau hatte am Sonnabend »Die Anarchistin« Premiere. Leider ist es nicht so spannend, wie das Thema verspricht.

(…) Die beiden Darstellerinnen und langjährigen Zittauer Ensemblemitglieder bemühen sich redlich, die Masse an Text möglichst lebendig und authentisch zu gestalten. Mit variierenden Haltungen und Positionen im Raum versuchen sie, ihren Dialog zu echten Szenen werden zu lassen. (…)

(…) Renate Schneider zuckt zurück und spielt glaubhaft die Bedrängung einer Frau, die um ihre Kontrolle fürchtet. Die Härte, die zur Rolle der Vernehmerin gehört, den Druck, mit dem Ann zu erreichen versucht, dass Cathy ihre Komplizin und einstige Geliebte verrät, nimmt man der Schauspielerin aber nicht ganz ab. Sabine Krug ist als Cathy sehr überzeugend, im Wechselspiel zwischen der moralisch Überlegenen, der Verletzten, der Bittenden, die vielleicht ihre Läuterung doch nur vortäuscht, der sich in Sicherheit Wiegenden, als ihre Vernehmerin einen Fehler macht, und der Resignierten, die ohnmächtig gegenüber Macht und Willkür ist. (…)

(…) Das Premierenpublikum belohnte das Team mit reichlich Applaus. (…)‎

Ines Eifler, SZ-online, 01.12.2019
Foto: Pawel Sosnowski

»Heiße Ecke« - Ines Eifler - Sächsische Zeitung

Wie die Reeperbahn nach Zittau kam
Das Musical »Heiße Ecke« spielt an einer Hamburger Currywurstbude. Die gibt es nicht nur wirklich. Sie ist ein Ort, an dem sich Träume zerstreuen und erfüllen.


(...) Sabine Krug etwa als Hannelore hinterm Tresen, die alles im Leben gesehen hat und der niemand etwas vormachen kann. Sie tritt auch als auf Moral und Anstand bedachte Hamburgerin auf, die ihren Mann klein hält und ihren Sohn nicht erwachsen werden lässt. (...)
(...) Diesen Mann spielt in beiden Fällen Tilo Werner, einmal den unterdrückten, einmal den noch immer verliebten Ehemann. Später ist er der sanfte Transvestit Gloria, dann das ganze Gegenteil, der maskuline Hehler Henning. Eindrucksvoll auch Marc Schützenhofer, besonders als machohafter Zuhälter mit Wiener Dialekt. Oder Martha Pola, die in einer Szene sogar zweimal spielt – als Sängerin vor dem Tresen und als Stimme des Mädchens dahinter, das später zur Freude der Görlitzer im Publikum sagt: »Café Müller? Kenn ich nie, ich komm aus Görlitz, da gibt’s nur Mitropa.« Die beiden jungen Darsteller Fabian Quast, der schon als Pinocchio begeisterte und Paul Nörpel – auch sie außerordentlich wandlungsfähig. Wie auch Maria Weber und Bianka Tatár, die neben Martha Pohla als laszive Prostituierte oder betrunkene Mädchen auftreten. (...)‎

(...) Der Star der »Heißen Ecke« aber ist die dicke Margot, wunderbar authentisch, direkt und herzlich gespielt von Patricia Hachtel, die kein Blatt vor den Mund nimmt, jeden Schwindel durchschaut, aber die Typen, die jeden Tag zur Imbissbude kommen, dennoch als Menschen ernst nimmt, ob sie Penner, Spielsüchtige, liebeskummertraurige Mädchen, Machos, Prostituierte oder Polizisten sind. ‎(...)

Ines Eifler, Sächsische Zeitung, 24.01.2020
Foto: Pawel Sosnowski

»Mothers« - Silvia Stengel - Sächsische Zeitung

Mutter, warum bist du ein Monster?
Im Zittauer Theater will sich ein Mann von seinem Kindheitstrauma befreien.

(…) »Mothers« heißt das Stück, das am Sonnabend im Zittauer Theaters Premiere hatte. Der polnische Schauspieler und Regisseur Grzegorz Stosz hat es geschrieben und inszeniert. Die polnische Schauspielerin Angelika Pytel vom Psychoteatr in Breslau spielt eine der beiden Mütter. Sie ist die große Entdeckung des Abends. Vom weinerlichen, bedauernswerten, fast kindlich wirkenden Geschöpf bis zu einer starken Frau mit einem Wutausbruch, der einen zusammenzucken lässt, hat sie alles drauf. Aber auch die beiden Zittauer, Martha Pohla als elegante Mutter und David Thomas Pawlak als Jacob überzeugen so nah an den voll besetzten Zuschauerreihen in der Studiobühne. (…)

(…) Angelika Pytel spricht fast nur Polnisch, es stört nicht, wenn man sie nicht versteht, allein die Körpersprache fasziniert, und mit Martha Pohla, die Deutsch spricht, erschließt sich zugleich der Part der anderen Mutter. Einmal passt das wunderbar, als Jacob zu seiner polnisch sprechenden Mutter sagt: »Ich verstehe dich heute nicht, als wärst du gar nicht hier«. (…)

(…) »Mothers« wird ein etwas rätselhafter und dennoch beeindruckender Abend, auch deswegen, weil er mal ganz anders, recht experimentell angelegt ist. In der Beschreibung steht ja auch »Stückentwicklung«.

Vom Publikum gibt es nach den 70 Minuten einen langen Applaus und Jubel.‎

Silvia Stengel, Sächsische Zeitung, 17.02.2020
Foto: Nikolai Schmidt

»Mothers« - Andreas Herrmann - DNN

Muttersehnsucht mit polnischer Note
Grzegorz Stosz inszeniert mit »Mothers« am Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau erstmals ein eigenes Werk.

(…) Anfangs geht es um eine harmlose Beziehung: Jacob (David Thomas Pawlak) will eine Woche vor der Hochzeit mit seiner hochschwangeren Sylwia (Martha Pohla) zu seiner Mutter, um sie irgendetwas zu fragen. (…)

(…) Doch diese Begegnung verläuft obskur, denn die Mutter (ebenso: Martha Pohla), eine feine schwarze Dame mit Hut und Schleier, hört ihm kaum zu und empfängt ihn wie ein echtes Muttersöhnchen, den sie nur heim ins Hotel Mama holen will. Dort wohnt noch eine zweite Mutter (Angelika Pytel): eine burschikose Frau in Kittelschürze, die allerdings nur Polnisch spricht, ihn aber leibhaftig bekocht und bemuddelt – erst mit Kartoffelbrei, dann mit Kartoffelschnaps. (…)

(...) Mehrfach springt die Geschichte hin und her, mehrmals singen beide Mütter gemeinsam Songs in ihrer jeweiligen Sprache, die von Pop bis Musicalnummer reichen und von Pawel Rychert komponiert und eingespielt wurden, auch als gelungene Duette. (...)

(…) Idee, Text wie Regie und Ausstattung stammen von Grzegorz Stosz (…)

(…) In Zittau verhilft ihm Angelika Pytel – als Psychoteatr-Gründerin auch ausgebildete Tänzerin und schon vor knapp vier Jahren mit »Der Wald«, einem eindrucksvollen Monodrama, hier zu Gast – durch Spiel, Gesang und Choreographie zur Symbiose. (…)

(…) David Thomas Pawlak spielt den ob seiner unklaren Herkunft gespaltenen Sohn, der wegen seiner Verluste immer wieder abstürzt, bis er die »Suspension« im Kaffee als sein Schicksal begreift, eindrucksvoll. (…)

(…) Neben den beiden Spielerinnen half auch Patricia Hachtel bei der Entwicklung der Songlyrik, meist parallel in beiden Sprachen vorgetragen. (…)

(…) Damals wie nun: großer Beifall nach einem kurzen, aber heftigen Durchatmen, gepaart mit geistiger Nachhaltigkeit. (…) ‎

Andreas Herrmann, DNN, 26.02.2020
Foto: Nikolai Schmidt

»DE FESCHE MODE« - Mike Altmann - Görlitzer Anzeiger

DE FESCHE MODE: Neues vom Körper-Beherrschungs-Kollektiv

(…) Zeige mir eine Provinzstadt, in der modernes Tanztheater einen großen Theatersaal bis in die Ränge rauf füllt. Ergebnis unermüdlicher Arbeit der Tanzcompany und seiner kreativen Köpfe Dan Pelleg und Marco E. Weigert. (…)

(…) Geht es im ersten Teil noch recht gemächlich zu, zieht das Stück das Tempo nach der Pause an – und die Tänzer aus. Männerhintern zur Primetime. Später noch ein pralles Kunstgemächt. Mit etwas Glück gibt es einen Shitstorm besorgter Elternsprecher oder Beschwerden vom Beauftragten für mehr Prüderie in der deutschen Familie. DE FESCHE MODE hat das Zeug zum Skandal. Schließlich macht es sich auch über die gute alte Oper lustig. Das Publikum johlte vor Freude über die Verballhornung der ernsten Muse in einer dreiminütigen Parodie. (…)

(…) Nein, dieser Tanzabend ist keine Burleske. Wir, also die feine Gesellschaft, bekommen einen Spiegel vorgehalten. (…)

(…) Geht in »DE FESCHE MODE« , lasst euch treiben und mitreißen in eine Welt, die wir gemeinsam besser machen können. (…)‎

Mike Altmann, Görlitzer Anzeiger, 27.01.2020

»DE FESCHE MODE« - Andreas Herrmann - DNN

Tanz im Spiegel der Wegwerfgesellschaft
Mit »DE FESCHE MODE« wagt sich die Tanzcompany am Gerhart-Hauptmann-Theater auf den Laufsteg

(…) Nun ist das Thema Mode Mode, das einerseits als witzige Geschichtsstunde mit den Kostümen von Ausstatter Markus Pysall den Rahmen setzt, andererseits in dem von Dan Pelleg und Marko E. Weigert choreografierten Abend immer wieder ambivalent die gesellschaftlichen Zwänge per Normierung oder Klassifizierung durch Kleidung zeigt. (…)

(…) Dabei steht bereits am Anfang das beste wie praktischste Kostüm: barfüßige Jugend in weißen T-Shirts und blauen Jeans, locker auf dem langen Laufsteg – schon das eine Spitze gegen die affektierte Branche. (…)

(…) Auch der Tanz in Ritterrüstung oder eine Schuhlöffel-Samurainummer mit Harrison Claxton, Francisco Martínez García, Rafail Boumpoucheropoulos und Lorenzo Rispolano, teilweise im Pyjamamodus, sorgen für Erheiterung, während das Korsett von Marianne Reynaudi oder der Lotus-Schuh mit Nami Miwa als Zwang drastisch bleiben. (…)

(…) Ganz zum Schluss folgt dann der große Depeche-Mode-Block – bei »Just Can’t Get Enough« treten Amit Abend und Mami Kawabata, die zuvor per Makkaroni-Kleid eine Anspielung auf Lady Gagas Rindfleischkostüm wagte, zwei Damen in immer größeren Hüten gegeneinander an. (…)

(…) Unglaublich, wie Chefchoreograf Dan Pelleg – der ebenso wie Tanzdirektor Marko E. Weigert mindestens wechselseitig in den Produktionen aktiv bleibt – immer noch behände mitwirbelt. Große, sich einprägende Bilder entstehen immer wieder – und werden in Windeseile in die nächste Sequenz überführt. Die Tänzer in ihrer Dynamik meistern jeden Umbau, wie gewohnt von einer eigens zusammengestellten flüssigen Soundcollage (Pelleg) und herausragendem Lichtdesign (Weigert) getrieben. (…)

(…) Nach zwei Stunden samt einer Pause ist die simple wie perfekte Ausgangslage – barfuß, weiße T-Shirts, blaue Jeans bei »Personal Jesus« (als Version von Shefita) – unter großem Premierenjubel wieder hergestellt. (…) ‎

Andreas Herrmann, DNN, 29.01.2020
Foto: Arjom Belan

KONZERT

»Jenseits« - 1. Philharmonisches Konzert - Karsten Blüthgen - Sächsische Zeitung

Erlösend still
Die Neue Lausitzer Philharmonie schultert Mahlers »Neunte« zum Start in die Konzertsaison.

(…) Das Publikum im Görlitzer Theater spürte zur Eröffnung der neuen Konzertsaison, dass statt diesseitigen Optimismus im Orchestergewand etwas Übersinnliches geschehen sein musste. (…)

(…) Generalmusikdirektorin Ewa Strusinska hatte die Neue Lausitzer Philharmonie und sich selbst bei einem Schlüsselwerk der Musikgeschichte gefordert und dabei Großes geleistet. (…)

(…) Diesen langen Satz breitete die Dirigentin mit großer Ruhe, zugleich höchster Spannung aus, machte das Zerbrechliche hörbar. Die ins Extreme erweiterte Harmonik – Mahler nannte sie »Zeremonie des Erlöschens« – ergriff unmittelbar, wirkte erlösend. Totenstille nach den letzten Tönen. (…)

(…) Das Spiel der Soloflötistin Katrin Paulitz sei exemplarisch genannt für den Auftritt des Görlitzer Orchesters, das an Grenzen ging und in Phasen über sich hinauswuchs. (…) ‎

Karsten Blüthgen, Sächsische Zeitung, 12.09.2019

»Quasi à la francaise« - 2. Philharmonisches Konzert - Karsten Blüthgen - Sächsiche Zeitung

Allerlei Raffinessen

Die Neue Lausitzer Philharmonie glänzt und agiert stilsicher in einem französischen Programm.

(…) Ulrich Kern, stellvertretender Generalmusikdirektor an der Neiße, ließ sein Orchester an der Schwarzen Elster mit viel Schwung und Verve musizieren. Furios geriet schon der Einstieg, die Ouvertüre zur Oper »Béatrice et Bénedic« von Hector Berlioz. (…)

Erfrischende Lesart
(…) Solist Frank Dupree und die Philharmoniker stellten eine zur Entstehungszeit 1777 besondere Qualität des Werkes heraus: Solo und Orchesterpart sind eng miteinander verwoben. Kern sorgte für Balance, schärfte zugleich den Kontrast zwischen den Sätzen und zeigte einen Mozart, der es liebte, mit Hörerwartungen zu spielen, etwa mithilfe eines saftigen Trugschlusses kurz vor Ende. Frank Dupree griff die erfrischende Lesart des Dirigenten auf, spielte seinen Solopart forsch, im ersten Satz vielleicht einen Deut zu hart. Dafür wurde sein Anschlag im Mittelsatz geradezu kantabel, bevor das finale Rondo mit allerlei Raffinessen kurzweilig vorüberzog. (…)

(…) Im zweiten Konzertteil, bei Darius Milhauds »Suite francaise« und Camille Saint Saens‘ zweiter Sinfonie, blieb das Orchester konzentriert, agierte stilsicher und temperamentvoll. Das Publikum reagierte begeistert. (…)

Karsten Blüthgen, Sächsische Zeitung, 28.10.2019‎

»F - A - F: Frei aber froh?« - 4. Philharmonisches Konzert - Karsten Blüthgen - Sächsische Zeitung

Mit Gewinn für Publikum wie Künstler
Die Neue Lausitzer Philharmonie musiziert berühmte und fast verschollene Musik.

(…) Generalmusikdirektorin Ewa Strusińska fand im Hauptwerk des Abends am Donnerstag in Bautzen zu einer feinen Balance zwischen Freiheit und Strenge, weckte bare Musizierfreude, ohne ins Oberflächliche abzuschweifen. Der zweite Satz bot erlesene Kammermusik, der dritte erschien als romantisches Orchesterlied ohne Worte. (…)

Gepfeffert virtuoser Schumann
(…) Mit rhythmischem Applaus dankte das Publikum. Froh schien auch Strusińska, die gewohnt engagiert leitete und ihr Orchester zu einem Höhenflug stimulierte. (…)

(…) Auch der souveräne Solo-Auftritt der Polin Katarzyna Wasiak nun in der Lausitz hätte den Schöpfer dieses gepfeffert virtuosen Stücks sicher überzeugt. Für die Überraschung des Abends sollte jedoch ein anderer Name sorgen: Józef Koffler. Mit dessen Klavierkonzert op. 13 nahm Strusińska ein zu Unrecht fast verschollenes Werk ins Programm auf. (…)

(…) Abermals glänzte Wasiak mit brillanter Technik und feinstem pianistischen Gespür, aufgefangen von einem hellwach begleitenden Orchester. (…)‎

Karsten Blüthgen, Sächsische Zeitung, 09.03.2020
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